Achtung, die Schweizer Weine!

Unter diesem Motto fand am Dienstag, 29. Mai 2001, im Anglo German Club in Hamburg eine außergewöhnliche Weinprobe statt. Es wurden die besten Weine der Schweiz, genauer aus dem Wallis, dem Tessin und der West- und Ostschweiz, verkostet.

Organisiert wurde die Probe von Christian Wenger (Berater für Corporate Identity und Kommunikation) und Dr. Ulrich Sautter (Redakteur der Zeitschrift Der Feinschmecker und Wein-Gourmet) - beide langjährige Kenner und Liebhaber des "wahren" Schweizer Weines.

Welche Weine zählen zu den besten der Schweiz? Welche Rebsorten werden hauptsächlich im Nachbarland angebaut? Was zeichnet den Schweizer Wein aus? Viele Fragen und die wenigsten können aus dem Stehgreif darauf antworten. Für viele Weinfreunde rangiert der Schweizer Wein in seiner Popularität und Bekanntheit auf hinteren Plätzen. Das liegt vor allem daran, dass die sehr guten Qualitäten nur schwer zu beschaffen sind und die auf dem internationalen Markt verfügbaren Exportweine eher der Quantität zum Opfer gefallen sind. Also Schluss mit dem "harmlosen Fondue- und Skihütten-Image des Schweizer Weines", sagten sich die beiden und organisierten aus privater Initiative diese Probe.

Auch Winety.com bekam die Möglichkeit, die Verkostung mitzuerleben und nahm die Veranstaltung zum Anlass baldmöglichst den noch fehlenden Beitrag zum Schweizer Weinanbauland in unserer Rubrik "Weinwissen" aufzuarbeiten.

40 verschiedene Weine in 8 Flights boten einen seltenen Querschnitt der Schweizer Weine.

1. Flight: Chasselas

Den Einstieg zur Probe bot die bekannteste Rebsorte der Schweiz - der Chasselas/Gutedel. Er ist die wichtigste Rebsorte der Schweiz (ca. 45% der Anbaufläche und ca. 60% der Produktion).

Sie wird vor allem in der Westschweiz und im Wallis angebaut. Die ertragsreiche Sorte mit eher neutralem Charakter ergibt Weine, die sehr stark vom Boden geprägt sind. Wunderschön in dieser Runde der 2000er Les Bans von Gerald Besse, Martigny, Wallis - ein opulentes Bukett nach reifen exotischen Früchten und angenehmen Röstnoten. Auch am Gaumen volle Frucht - ein saftiger, sauberer Wein, der viel Freude bereitet und mit seinen langen Abgang intensiv nachklingt.

2. und 3. Flight: Weiße Spezialitäten

In den nächsten beiden Flights wurden weiße Spezialitäten vorgestellt. Die Schweiz ist dafür bekannt, eine große Vielfalt an Rebsorten zu haben, die auch nur dort als autochthone Sorten vorkommen.

Darunter ein Räuschling, er gehört zu den frühreifen Sorten, die besonders leichte und frische Weine ergibt.

Ein Johannisberg - hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich im Wallis der Sylvaner. Er nimmt von der Menge unter den weißen Sorten den zweiten Platz hinter dem Chasselas ein. Sein reiches Bukett, der saftige Gaumen und die frische Säure sind charakteristisch für diese Rebsorte.

Der Petit Arvine ist eine Walliser Spezialität. Eine herausragende Sorte, der besonders elegante Weine mit feinem Bukett und oftmals typischen leicht salzigen Geschmack hervorbringt. Sehr fein in dieser Runde war der 1999er Petit Arvine von Simon Maye & Fils, Chamoson, Wallis mit süßer, appetitlicher Nase und fülligem, üppigen Gaumen; die frische Säure vervollständigt das Geschmacksbild des Weines.

Auch ein Ermitage wurde verkostet. Besser bekannt unter dem Rebsortenname Marsanne, die auch an der Rhône in Frankreich angebaut wird. Die Weine sind mild, aber keine Leichtgewichte, sie sorgen im Wallis oftmals für ausgezeichnete Qualitäten und besitzen ein sehr gutes Alterungspotenzial. Auch der 1999er Ermitage von Philippoz Frère, Leytron, Wallis war eine tolle Erfahrung- süße Nase mit exotischen Aromen und zartem Blütenduft, am Gaumen sehr konzentrierte Frucht und feiner Extrakt, sehr stoffiger Wein, der noch auf dem Weg zur Reife ist.

4. und 5. Flight: Pinot Noir

In den folgenden beiden Flights wurden Pinot Noir aus der Ostschweiz und dem Wallis probiert.

Durchweg sehr gute Qualitäten, die sich im internationalem Vergleich nicht verstecken müssen. Besonders hervorzuheben ist der 1999er Blauburgunder Barrique von Hanruedi Adank, Fläsch, Ostschweiz und der 1999er Blauburgunder Barrique von Ruth & Georg Fromm, Malans, Ostschweiz.

Georg Fromm betreibt nicht nur in der Ostschweiz Weinbau, sondern auch in Neuseeland, wo seine Weine ebenso hohes Qualitätsniveau erreichen. Der schweizer Blauburgunder von ihm hatte ein wunderschönes aromatisches Bukett nach reifen Kirschen, Tabak und fein eingebundenem Barrique, am Gaumen eine echte Fruchtbombe, samtige Struktur, feine Extrakte, straffe Säure - ein eleganter Wein, der noch einige Jahre der Reife bedarf.

6. Flight: Merlot

In der vorletzten Rotweinrunde wurden Merlots aus dem Tessin ins Glas geschenkt. Das Tessin liegt in der italienischen Schweiz und eignet sich besonders zum Anbau von Rotwein. 75% des Gebietes sind mit Merlot bepflanzt. Den meisten wird die Rebsorte aus dem Bordeaux bekannt sein. Sie ergeben kräftige, aber auch fruchtbetonte, elegante Weine.

Ein Altmeister im Tessin ist Claudio Tamborini aus Lamone. Sein Castello di Morcote ist auf vielen inter-nationalen Weinkarten zu finden. Auch sein 1999er Jahrgang stand mit dichtem Rubinrot im Glas und verbreitete ein fruchtiges Bukett mit reifen Pflaumenaromen; am Gaumen dichte Struktur, elegante Tannine, schöne Süße.

Der älteste, aber wohl auch beeindruckendste Wein in dieser Runde war der 1996er Merlot Orizzonte von Christian Zündel, Beride. Er wurde aus der Magnumflasche ausgeschenkt. Dieses größere Flaschenformat begünstigt den gleichmäßigen Reifeprozess. Auch wenn er schon schön zu trinken ist, wird er noch einige Jahre überdauern können und dabei keinerlei Ermüdungserscheinungen zeigen. Sein würziges Bukett und Aromen nach getrockneten Pflaumen und Caramel wurden durch einen samtig, weichen Gaumen gekrönt; reiche Frucht, elegante Tannine - ein perfekt ausbalancierter Wein.

7. Flight: Rote Spezialitäten

Rote Spezialitäten wurden im letzten Rotweinflight probiert. Darunter zwei Cornalin aus dem Wallis - die älteste Rebsorte des Kanton Wallis; zwei Syrah, auch beide aus dem Wallis und eine Cuvée aus Pinot Noir und einer Neuzüchtung mit dem Namen Diolinoir aus der Ostschweiz - eine Kreuzung zwischen Rouge de Diolly und Pinot Noir.

Jeder Wein aus dieser Runde war ein besonders Erlebnis. Die Cornalinweine entzücken durch ihre kräftige, fast violette Farbe mit floralem Bukett und würzigem Geschmack.

Hinter dem klingenden Weinnamen "Z'blau Wunder us Jenins" steckt die Neuzüchtung Diolinoir, ein sehr fruchtbetonter, leichterer Rotwein mit elegantem Touch.

Beeindruckend auch die beiden Syrah. Man hält es nicht für möglich, dass diese Rebsorte im Wallis ein so großes Potential besitzt. Besonders der 1997er Cayas von Bon Père Germanier Balavaud und Jean-René Germanier aus Vétroz bereiteten große Freude.

8. Flight: Surmaturées/Dessertweine

Zum Schluß wurden die Surmaturées - Dessertweine eingeschenkt und boten den Verkostern damit ein süßes Finale. Der letzte Wein sollte noch mehrere Stunden vorhalten und vollendete diese spannende Probe - 1997er Petit-Arvine "Grain Noble", Marie-Thérèse Chappaz vom Weingut La Liaudisaz, Fully, Wallis.

In diesem Land steckt eine großartige Vielfalt an Rebsorten, besten Lagen und Möglichkeiten für den Weinbau. So lange die Qualität für die Winzer oberste Priorität besitzt, entstehen die feinsten Weine, wie wir sie in dieser Probe erleben durften.

Für jeden Ampelograph oder Rebsortenfreund ist die Schweiz ein Paradies. In keinem Weinbauland auf der Welt gibt es eine so geballte Anzahl autochthoner Rebsorten. Dadurch haben manche Schweizer Weine ihren ganz eigen Stil und Geschmack, der ganz und gar nicht mit vielen internationalen Weinen zu vergleichen wäre, aber ist das nicht gerade das reizvolle? Der Bezug dieser raren Weine ist nicht einfach. Aber vielleicht haben Sie ja Lust bekommen, selbst die Schweizer Weinwelt zu erkunden. Vor Ort wird man größeres Glück haben, die Weine zu erhalten.

Vielen Dank an Herrn Wenger und Dr. Ulrich Sautter!